Qualitätspolitik: mehr als graue Theorie

„Fürs Audit reichen Schlagworte: Hauptsache, wir haben dann die Pappe an der Wand.“ Ist das ungefähr der Stellenwert, den Qualitätspolitik in Ihrem Unternehmen hat? Schade: So werden Chancen verschenkt. Stephan Joseph, unser Gast-Autor, hat dazu einiges zu sagen!

baum mit schild in wald
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Ein Gastbeitrag von Stephan Joseph

„Kundenorientierung“, „kontinuierliche Verbesserung”, „Verpflichtung der Geschäftsleitung”: Diese Ausdrücke dürfen heutzutage in keiner Qualitätspolitik fehlen. Verständlich, wird doch in ISO 9001-Zertifizierungsaudits oft explizit danach gefragt.

Mit dem stetig wachsenden Druck, neue Arbeitskräfte zu finden und zu binden, kommen noch Aussagen zur Mitarbeiterorientierung hinzu. Schließlich tauchen auch diese in der Liste interessierter Parteien auf.

So weit, so gut! Aber trifft die Qualitätspolitik eigentlich die Realität? Oder handelt es sich um eine rein formale Absichtsbekundung?

Stephan Joseph QM

Zur Person

Stephan Joseph ist Dipl.-Ing. (FH), Experte für QM-Systeme, erfahrener Berater, kreativer Blogger, orgavision-Gastautor – und Host des QM-Podcasts! Den findet man überall, wo es Podcasts gibt – und auf Stephans Webseite.

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Weg vom unpersönlichen Unternehmensleitbild – hin zur gelebten Kultur 

Ein Beispiel: Während einer In-House-Schulung bei einem Automobilzulieferer habe ich deren Qualitätspolitik von der Wand genommen und vorgelesen. Nach dem dritten Absatz rief ein Teilnehmer: „Klingt nach einem tollen Unternehmen. Kann ich mich da noch bewerben?“

Nachdem die Lacher verklungen waren, machte sich ein wenig Bitterkeit breit: Die gute Absicht, eine erfolgreiche Qualitätspolitik zu verfassen, reicht eben nicht aus. Denn was als Leitbild festgehalten wird, wird noch lange nicht gelebt. Und das spüren die Mitarbeiter:innen.

Schade! Denn Qualitätspolitik bietet viele tolle Chancen. Oder wie ein befreundeter Auditor neulich festhielt: „Wer mal genau zuhört und sich aufs Qualitätsmanagement einlässt, wird unweigerlich zum Fan.“

Wie aber gelingt dies? Will man eine gute Qualitätspolitik verfassen, sollte man zuerst die Frage nach dem „Warum“ klären.

Warum eine Qualitätspolitik dokumentieren? 

Fangen wir mit der unglücklichen Übersetzung des Wortes „quality policy“ an. „Policy“ kann man mit „Politik“ übersetzen, jedoch passt „Leitbild“ viel besser: Es bildet ab, was uns leitet.

So bietet ein Qualitätsleitbild Orientierung im täglichen Handeln, damit ein Unternehmen seine Qualitätsziele erreichen kann. Wer hierfür aber einfach Worte aus dem Normtext abtippt, läuft Gefahr, dass sein Leitbild unbeholfen und wenig sinnstiftend daherkommt.

Es geht auch anders: In der QM-Podcast-Episode 57 spreche ich mit Johannes Woithon, dem Geschäftsführer der orgavision GmbH. Er nennt drei Werte, für die sein Unternehmen steht:

  • Leidenschaft
  • Innovation
  • Klarheit

Regelmäßig und in unterschiedlichen Formaten hinterfragen seine „Orgavisionäre“, ob diese Werte im Firmenalltag gelebt werden. Bei Bedarf setzen sie Maßnahmen um, um dem Leitbild gerecht zu werden. Auf diese Weise bekommen die drei ernstgemeinten Schlagworte mehr Wert und Gewicht als jede hübsch ausformulierte Qualitätspolitik.

Der QM-Podcast 

Wie hängen Unternehmenskultur und QM-System zusammen? In dieser Podcast-Episode spricht Stephan Joseph mit Johannes Woithon.

Empfehlungen zur Qualitätspolitik 

Dass im Rahmen von Zertifizierungsaudits lediglich das Vorhandensein des Pflichtdokuments „Qualitätspolitik“ erfragt wird, damit kann man gut leben. Von hier sind also keine detaillierten Anforderungen zu erwarten.

Unternehmen sind aber gut beraten, den Inhalt hierfür sorgfältig auszuwählen. An welchen Werten und Leitlinien sollen sich die Angestellten orientieren?

Treten Sie mit Ihren Mitarbeiter:innen in den Dialog und hinterfragen Sie zusammen die Aussagen zur Qualitätspolitik. Finden Sie heraus, wann, wo und warum die Umsetzung im Arbeitsalltag schwierig sein kann. Statt die Teams also mit dieser Aufgabe allein zu lassen, können Sie gemeinsame Spielregeln zur Umsetzung definieren, die mit den Leitlinien Ihrer Organisation im Einklang stehen.

Das mag nicht immer mit einem Workshop gelingen! Hier gilt: Der Weg das Ziel.

Durch die komplexen und sich rasch verändernden Herausforderungen, mit denen Unternehmen konfrontiert sind, gehört das Hinterfragen des Leitbilds – und seiner Umsetzbarkeit! – zu einer wertvollen Managementaufgabe. Deswegen rät die ISO 9001 auch, die Qualitätspolitik im Rahmen der Managementbewertung zu hinterfragen.

Wenn man es schafft, die eigenen Werte für Mitarbeiter:innen, Kund:innen, Lieferanten und andere interessierte Parteien erfahrbar zu machen, wenn man ihnen sozusagen Leben einhaucht, setzt man ganz neue Potenziale frei.

Hierzu passt abschließend das Zitat von Konrad Lorenz:

Gedacht heißt nicht immer gesagt,
gesagt heißt nicht immer richtig gehört,
gehört heißt nicht immer richtig verstanden,
verstanden heißt nicht immer einverstanden,
einverstanden heißt nicht immer angewendet,
angewendet heißt noch lange nicht beibehalten.

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Text: Stephan Joseph / Fotos: Stephan Joseph, Panagiotis Nikoloutsopoulos | Unsplash